Ein Beitrag von Frau Rechtsanwältin Anja Thurn, Fachanwältin für Familienrecht

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer am 18. März 2021 getroffenen Entscheidung bei Uneinigkeit der Eltern eines minderjährigen Kindes über eine Schutzimpfung die Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil übertragen, der seiner Haltung an den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert.

In dem zur Entscheidung anstehenden Fall wollte die Mutter das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen, während der Kindesvater damit nicht einverstanden war und eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes verlangte. Grundsätzlich kann nach der gesetzlichen Regelung bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die von erheblicher Bedeutung ist und über die sich die Eltern nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die zu treffende Entscheidung einem Elternteil durch das Gericht übertragen werden. Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, wobei hinsichtlich der Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden kann, dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert.

Weiterhin ist das Oberlandesgericht der Auffassung, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich sei, da grundsätzlich davon ausgegangen werden dürfe, dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept in Sinne der Rechtsprechung darstellt. Auch bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei Unterbleiben der Impfung könne von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen werden, da für den Impfvorgang von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen würde. Zudem sei die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berücksichtigung etwaiger Kontraindikationen ärztlich zu prüfen, so dass der Sorge des Vaters an der Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang auch nicht mit einem Sachverständigengutachten im gerichtlichen Verfahren nachzugehen sei.

Ob diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt auf die nunmehr in der Zukunft anstehenden möglichen Streitigkeiten der sorgeberechtigten Eltern im Hinblick auf COVID-19-Impfungen auch für minderjährige Kinder anzuwenden ist, ist bislang in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, so dass abzuwarten sein wird, welche Auffassung dazu von den erstinstanzlich zuständigen Familiengerichte vertreten wird, sobald dort die ersten Anträge der Eltern eingehen werden.

Für Rückfragen zu diesem Thema und anderen familienrechtlichen Themen steht Ihnen die Autorin als Fachanwältin für Familienrecht gerne zur Verfügung.

 

Anja Thurn,  Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

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