Ein Beitrag von Herrn Rechtsanwalt Ralf Kurtenacker

 

Grundsätzlich kann jeder in einem Testament oder Erbvertrag frei darüber verfügen, wie sein Nachlass nach seinem Tod verteilt werden soll. Diese sogenannte Testierfreiheit wird in § 1937 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) garantiert. Man kann daher beliebige Personen zu seinen Erben bestimmen oder auch bestimmte Personen enterben. Allerdings setzt das deutsche Erbrecht der Testierfreiheit bestimmte Grenzen: Nahe Angehörige haben nach § 2303 BGB auch bei einer Enterbung Anrecht auf einen bestimmten Anteil Ihres Vermögens. Dies ist der sogenannte Pflichtteil im deutschen Erbrecht.

Pflichtteilsansprüche ergeben sich regelmäßig, wenn nahe Angehörige:

  • durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden,
  • im Nachlass zu gering bedacht wurden (wenn weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils vererbt wird) oder
  • ihren Erbteil ausschlagen.

Unter „nahe Angehörige“ werden nach dem deutschen Erbrecht der Ehepartner, die Kinder sowie gegebenenfalls auch die Eltern des Erblassers und die Nachkommen seiner Kinder gefasst. Sie alle sind Pflichtteilsberechtigte, d.h. sie haben im Erbfall gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil vom Erbe. Es gibt allerdings eine Rangfolge:

  • Ehepartner sind grundsätzlich immer pflichtteilsberechtigt. Allerdings entfällt der Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. die Ehe gilt als gescheitert oder wurde geschieden).
  • Kinder sind ebenfalls regelmäßig pflichtteilsberechtigt. Dies gilt sowohl für eheliche, als auch für nichteheliche und adoptierte Kinder. Stiefkinder haben keinen Anspruch.
  • Die Eltern und Nachkommen der Kinder (Enkel, Urenkel etc.) gehen grundsätzlich leer aus. Sie sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers kein Ehepartner und keine Kinder des Erblassers mehr leben oder ihnen die Ansprüche aus besonderen Gründen aberkannt wurden.

Der Pflichtteil vom Erbe berechnet sich nach den §§ 1924 bis 1936 BGB. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Auch enterbte Ehegatten, Kinder und andere Erbberechtigte haben insoweit als Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf 50 Prozent ihres gesetzlichen Erbteils.

Um einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, müssen Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Die jüngste Entscheidung des LG Frankenthal (Urteil v. 11.03.2021/Az. 8 O 308/20) bestätigt dies nachdrücklich. Hier hatten die Eltern eines Mannes diesen 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbt und zusätzlich angeordnet, dass ihm der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung gaben sie an, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen habe und sie hierbei eine Schädelprellung erlitt.

Diese Pflichtteilsentziehung wollte der Mann nach dem Tode der Mutter nicht akzeptieren und klagte gegen die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung. Die Klage hatte vollumfänglich Erfolg. Die Entziehung des Pflichtteils im Erbvertrag war nach Auffassung des Gerichts bereits aus formalen Gründen unwirksam. Vorliegend sei im Testament nicht festgehalten worden, welche Hintergründe zu der körperlichen Auseinandersetzung geführt und welche Folgen diese gehabt habe. Außerdem rechtfertige der behauptete körperliche Übergriff nicht zwingend eine Pflichtteilsentziehung, da es denkbar sei, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen habe und nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser zum Verlust des Pflichtteils führen könne.

Um derartige Hürden zu vermeiden empfiehlt sich eine kompetente anwaltliche Beratung.

Gerne steht Ihnen der Autor als auf das Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt zu allen Fragen rund um das Thema „Pflichtteils- und Pflichtteils-ergänzungsansprüche (vermeiden, reduzieren und gestalten)“ gerne zur Verfügung. Vereinbaren Sie hierfür einen Besprechungs- oder Telefontermin.

 

Ralf Kurtenacker, Rechtsanwalt | Partner

zugleich zertifizierter Testamentsvollstrecker und Mediator

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